OLG Hamm: Elfjähriger Junge haftet voll für Fahrradunfall
Was viele Eltern nicht bedenken, auch ein Kind kann haften
Minderjährigkeit schützt nicht immer vor der Verantwortung. Aber wie ist das im Gesetz geregelt? Das Gesetz kennt drei Alternativen, § 828 BGB:
- Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
- Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.
- Wer das 7. Lebensjahr aber das 18. noch nicht vollendet hat, ist für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.
In diesem Fall stießen zwei Radfahrer zusammen, der Elfjährige und eine 57jährige Frau. Der Junge habe mit seinem Fahrrad eine Straße überqueren wollen, ohne zuvor anzuhalten und sich davon zu vergewissern, dass dies gefahrlos möglich war. Er hat dabei hat den Gehweg der vorfahrtsberechtigten Straße entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung genutzt, obwohl er zur Nutzung des Gehwegs wegen seines Alters mit Blick auf § 2 Abs. 5 Satz 1 StVO nicht berechtigt war. Es kam, wie es kommen musste, auf der Straße fuhr die Frau, die man für den Unfall nicht verantwortlich machen kann.
Auf die Einsichtsfähigkeit kommt es an
Der im Unfallzeitpunkt 11jährige Junge ist für sein Fehlverhalten auch verantwortlich, meint das Gericht. Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Dabei obliegt es dem Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass ihm die erforderliche Einsicht zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit gefehlt hat. Ein schwieriges Problem. Die Verkehrsregeln sollten in diesem Alter im Wesentlichen bekannt sein.
Allein 25.000 EUR Schmerzensgeld muss der junge Mann bezahlen
Die Radfahrerin hat bei dem Unfall eine schwere Knieverletzung davongetragen, die eine Prothesenoperation und eine Revisionsoperation nach Zerreißen des bei dem ersten Eingriff eingebrachten Bandmaterials (einer PDS Kordelnaht) erforderlich machte, und die eine weitere nicht mit sicherem Erfolg verbundene Prothesenwechseloperation (binnen 5 bis 10 Jahren) erforderlich machen wird, die letztlich über kurz oder lang in einer operativen Versteifung des rechten Knies enden wird. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR sei deshalb nicht zu hoch. Hinzu treten noch der sogenannte Haushaltführenschaden, der Vorbehalt weiterer Ansprüche und erhebliche Verfahrenskosten.
Fazit:
Eine schwere Hypothek für diesen jungen Menschen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung sollte ernsthaft erwogen werden. Die mögliche Haftung der Eltern spielte in dem Verfahren keine Rolle