Keine Sperrzeit bei Kündigung: Zusammenziehen mit Lebensgefährten ist wichtiger Grund
Wer seinen Job kündigt, um mit seinem Partner/Partnerin in wilder Ehe zusammenzuziehen, hat nach der Rechtsprechung des BSG keinen wichtigen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses und erhält eine Sperrzeit von 12 Wochen.
Sachverhalt:
Die 1955 geborene Klägerin arbeitete zunächst als Einzelhandelsverkäuferin in Schleswig-Holstein. 2011 lernte sie ihren jetzigen Lebensgefährten kennen, der seinen Lebensunterhalt als Hausmeister und Gärtner im 175 Kilometer entfernten niedersächsischen Landkreis Nienburg verdiente. Nach Beginn ihrer Beziehung wirtschafteten beide aus einem Topf und sorgten im Krankheitsfall für einander. Bereits im Dezember 2012 verlobte sich das Paar.
Da beide die häufige räumliche Trennung als große Belastung empfanden, schmiedete man bald Pläne, zusammenzuziehen. Um dies zu ermöglichen, bewarb sich die Frau auf mehrere Stellen in der Nähe ihres Verlobten, hatte damit aber keinen Erfolg. Da man nicht länger abwarten wollte, kündigte sie 2013 ihre Stelle an ihrem bisherigen Wohnsitz und zog zu ihrem Verlobten, wo sie sich arbeitsuchend meldete.
Die Bundesagentur für Arbeit verhängte eine zwölfwöchige Sperrzeit, da sie ohne wichtigen Grund gekündigt habe. Dies stand im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG, welches ein Zusammenziehen zwar in der Vergangenheit durchaus als wichtigen Grund für eine Kündigung gewertet hatte, allerdings nur bei wenigstens bestehender Verlobung und Aussicht auf eine baldige Eheschließung. Die beiden Verlobten hatten aber bis dato keine Absicht, einen Heiratstermin festzulegen.
Das Urteil:
Das Landessozialgericht Niedersachsen bricht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Die Sperrzeit tritt ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (BSG, Urteil vom 17.10.2007, Aktenzeichen: B 11a/7a AL 52/06 R). Anders sieht es nur bei einer ehelichen Lebensgemeinschaft aus.
Dem widerspricht das LSG Niedersachsen-Bremen mit deutlichen Worten: Das Zusammenziehen mit einem nichtehelichen Lebensgefährten kann einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen.
Es erscheine nicht mehr zeitgemäß, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen, so das LSG nun. Der in § 159 Sozialgesetzbuch (SGB) III genannte wichtige Grund sei „kein Privileg für Ehegatten oder für anders genau definierte Personengruppen, sondern gilt uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation“.
LSG: „Kein Instrument zur Durchsetzung von moralischen Vorstellungen“
Die Sperrzeit sei kein „Instrument zur Disziplinierung und Durchsetzung von gesellschaftspolitischen, religiösen oder moralischen Vorstellungen“, stellten sie im Urteil klar.
Entscheidender als der formelle Status war für das LSG die in seinen Augen von Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge geprägte Beziehung, die ausschließe, dass die Frau ihre Stelle leichtfertig aufgegeben habe. Somit bestand nach Auffassung der Richter, welche in der Sperrzeit-Klausel nur eine Möglichkeit sah, um Personen daran zu hindern, sich ohne Not arbeitslos zu melden, um Leistungen zu kassieren, keine Notwendigkeit zu deren Anwendung (Urteil vom 12.12.2017, Aktenzeichen L 7 AL 36/16).
Fazit:
Wer eine Sperrzeit erhält, weil er eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingehen bzw. die Wochendbeziehung vertiefen will, sollte den Bescheid gründlich prüfen lassen und im Zweifel Widerspruch erheben. Abzuwarten bleibt aber noch, ob sich das BSG seinen Standpunkt ändert und sich der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen anschließt.