Impfung für das Kind: Wer entscheidet darüber?
Ein Klassiker der Streitigkeiten zwischen den Eltern über das Kind hat den Weg zum Bundesgerichtshof gefunden. Oft geht es um den Namen des Kindes, den Schulbesuch oder wie in diesem Fall um die Impfung des Kindes. Alles Probleme der gemeinsamen Elterlichen Sorge.
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen Eltern ihrer im Juni 2012 geborenen Tochter. Diese lebt bei der Mutter. Zwischen den Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt. Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.
Nach § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.
Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, welche nach § 1687 Abs. 1 BGB in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fiele, bei dem sich das Kind aufhält, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen, die als Alltagsangelegenheiten häufig vorkommen. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.
Der BGH sieht den Vater als besser geeignet an, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Er stellt – wie schon die Vorinstanz – darauf ab, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom Bundesgerichtshof bereits als medizinischer Standard anerkannt worden. Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, konnte das Gericht auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, hat der BGH nicht gelten lassen.
Fazit:
Es kommt darauf an, ob es sich um eine sogenannte Alltagsangelegenheit handelt, über die der Elternteil entscheidet, bei dem das Kind lebt, das wäre die Mutter gewesen. Deshalb sollen sich die Eltern darüber einigen. Nur wenn das nicht gelingt, entscheidet das Gericht und orientiert sich dabei am Kindeswohl.