Erwerbsminderungsrente: Die Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit stehen der Erwerbsunfähigkeit nicht im Wege
Spannende Entscheidung des BSG zum ewigen Konflikt Krankheit (Arbeitsunfähigkeit) oder Erwerbsminderung. Hier finden Sie mehr zu den Unterschieden zwischen Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung.
In den vielen Verfahren, die ich vor den Sozialgerichten zur Erwerbsminderungsrente geführt habe, taucht ein Argument der Rentenversicherung oder auch der Gutachter immer wieder auf:
Ja, der Klägerin bzw. die Klägerin ist krank und kann nicht arbeiten. Aber, die Behandlung ist nicht leitliniengerecht oder sie ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb liegt nur die Arbeitsunfähigkeit vor, nicht hingegen die Erwerbsminderung.
Das ist so lange von untergeordnetem Interesse, wie das Krankengeld fließt. Ist man ausgesteuert und erhält kein Krankengeld mehr, wird es spannend. Dann hilft eventuell noch das Arbeitslosengeld I (Stichwort Nahtlosigkeit). Andernfalls bleibt nur die Erwerbsminderungsrente. Und die Rentenversicherung beruft sich auf die Arbeitsunfähigkeit.
Viele Sozialgerichte folgen dem. So einfach ist es jedoch nicht, wie das BSG entschieden hat. Die Rente kann nicht mit dem Verweis auf noch nicht ausgeschöpfte Behandlungsmöglichkeiten verneint werden. Die Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit einer festgestellten Gesundheitsstörung steht dem Eintritt des Versicherungsfalls Erwerbsunfähigkeit nicht im Wege, so das BSG.
Das gilt selbst dann, wenn noch keine Heilbehandlung stattgefunden hat. Eine unterbliebene Behandlung schließt es – ohne Rücksicht auf die Ursache der Unterlassung – nicht aus, eine vorhandene Gesundheitsstörung als Erwerbsminderung einzuordnen.
Ob ein Versicherter teilweise oder voll erwerbsgemindert ist, beurteilt sich allein in Anbetracht der Auswirkungen der vorhandenen Gesundheitsstörungen auf sein aktuelles Leistungsvermögen, ohne Hinzudenken einer bislang nicht durchgeführten Behandlung. Wird die Behandlung verweigert, gilt das ebenfalls.
Wichtig ist es deshalb, im Verfahren genau darauf zu achten, ob das Problem von der Rentenversicherung oder vom Sachverständigen thematisiert wir. Dann muss man sich damit auseinandersetzen und die Argumente vortragen, die für die Erwerbsminderung sprechen.